(Gastbeitrag von Nicole Clasani-Briskot)
Heute war wieder so ein Tag.
Ein Tag, den Angehörige von Demenz-Patienten gerne aus ihrem Leben streichen möchten.
Wochenanfang – der Wochenorganisationsanruf bei der Schwiegermutter – was steht diese Woche an. Die Themen: Tagespflege, Arztbesuche, die Organisation anderer Termine, Betreuungsausbau, Beistand, Einkäufe. Sie weint, hat in den letzten beiden Tagen kaum geschlafen. Der Schwiegervater ist in den Nächten umhergewandert, ist zunehmend aggressiv und unruhig. Und sofort ist es wieder da, das schlechte Gewissen und auch die Fragen:
„Kümmern wir uns zu wenig?“
„Müssen wir es zulassen, dass sich das eigene Leben nur noch um die Demenz dreht?“
„Haben wir ein Recht auf eigene Zeit und ein eigenes Leben?“
„Wie bekommt man diese Situation in den Griff?“
„Wie weit lässt sich die Organisation der Krankheit in das eigene Leben bzw. den eigenen Arbeitsalltag einbauen?“
Nicht nur der Demenzkranke hat Höhen und Tiefen. Nein, auch wir, die Angehörigen, haben
- Tage, an denen wir schlechter mit der Krankheit umgehen können
- Tage, an denen wir uns arrangieren müssen
- Tage, an denen wir mit der Organisation überfordert sind
- Tage, an denen wir stark sein müssen obwohl wir selbst gerade schwach sind
- Tage, an denen uns das Gefühl der Machtlosigkeit lähmt
- Tage, an denen sich das Leben fremdbestimmt anfühlt
- Tage, an denen wir eigentlich eigene Projekte vorantreiben müssten, dann aber doch den Demenzkranken betreuen
- Tage, an denen wir dann zusätzlich mit den Schwankungen der Krankheit jonglieren müssen
- Tage, an denen wir uns Fragen – wie schlimm kann das noch werden
- Tage, die sich anfühlen, als würde es neben der Krankheit nichts anderes im Leben geben (Unsinn)
Und wisst Ihr was? Es steht uns zu.
Ja, Demenz bestimmt, Demenz leitet, Demenz dirigiert. Aber es liegt ein Stück weit an uns selbst, das Leben mit der Krankheit so zu organisieren, dass wir nicht selbst krank dabei werden. Lasst es zu … ohne schlechtem Gewissen und tatsächlich auch mit einer kleinen Portion Egoismus.
Denn auch wir haben nur ein Leben.
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Nicole Clasani-Briskot ist Marketing- und Social Media Beraterin. Hin und wieder bloggt sie zu ganz unterschiedlichen Themen als Gastautorin – in diesem Fall über die Demenzkrankheit des Schwiegervaters – als betroffene Angehörige.
Die ersten Anzeichen der Krankheit traten vor ca. sechs Jahren auf. Aktuell wird der Schwiegervater (Pflegstufe 2) zu Hause von der eigenen Ehefrau betreut. Niemand weiß, wie lange dies noch so gehen kann, denn die Krankheitssymptome werden von Woche zu Woche deutlicher und die Schübe kommen in immer kürzeren Abständen. Als Angehörige und Ansprechpartnerin für die Schwiegereltern hat Nicole permanent mit der Krankheit zu tun. Weitere Infos und Kontakt gerne über: NCB-Marketing.de