„Mensch Papa, wo kommst du denn her?“ Er schaute mich irritiert an: „Das weiß ich doch nicht!“ Mitten in der Nacht, es war wohl etwa 3 Uhr, stand mein Vater orientierungslos in seinem Flur. Angezogen, ja wie soll ich das beschreiben. Angezogen war er, aber die lange Unterhose über der kurzen Jeans, die Jeansjacke unter dem Pulli – so stand er vor mir wie ein kleiner Junge. Er schaute mich betreten an, weil er nicht mehr wusste, wo er was und was er jetzt machen sollte. „Komm, zieh deinen Schlafanzug an und geh wieder ins Bett. Schau es ist dunkel draußen, Mitten in der Nacht. Da schlafen alle Leute.“ Mit einem „Achso“, drehte er sich um, ging ins Bad, zog seinen Schlafanzug an und legte sich wieder ins Bett, er rief mir noch: „Gute Nacht“, zu.
Ja, gute Nacht! Was sollte ich tun? Die Gedanken kreisten. Ich schlief eh‘ kaum mehr eine Nacht durch. Er wanderte schon lange nachts im Haus umher, heute Nacht kam er von draußen rein. Das machte mir Angst. Meine größte Panik war, dass ich eine Radiomeldung absetzen musste: „Gesucht wird seit heute Nacht, Werner Schäfer, 77 Jahre, bekleidet mit …. Herr Schäfer ist nicht in der Lage sich zu orientieren und braucht dringend ärztliche Hilfe.“ Es musste etwas geschehen. Tagsüber ging er bisher nur im Garten spazieren oder auf den Spielplatz gegenüber, aber wo es ihn nachts hinzog wusste ich nicht.
Ein paar Tage später bekam ich einen Anruf von meinem Cousin, der eine Bäckerei hat. „Dein Vater taucht mehrmals die Woche nachts bei uns in der Backstube auf oder hämmert an die Ladentür und will Brötchen kaufen. Malu, das geht nicht. Er ist auch kaum zu bewegen wieder nach Hause zu gehen.“ Mir wurde ganz flau. Die Bäckerei war nicht weit von uns weg, aber wer weiß, was geschieht, wenn er nicht mehr zurückfindet.
Tage später saß er nachts um 2 Uhr fröhlich in seiner Küche: „Ich hab mir frische Brötchen geholt und Kaffee gekocht. Willst du mit mir frühstücken?“ Ich setzte mich zu ihm. Das Brötchen war knochentrocken und definitiv nicht frisch, sondern ein altes aus seiner Brotbox. Aber er war guter Dinge und schenkte mir einen Kaffee ein. Etwas verzweifelt mit meinem Gedankenkarussell im Kopf saß ich eine Stunde bei ihm. Wir redeten über Gott und die Welt. Plötzlich stand er auf. „Ich leg mich bis zum Mittagessen hin, ich bin etwas müde“, sagte es und verschwand im Schlafzimmer.
Am nächsten Morgen war klar, ich muss etwas unternehmen. Ich musste mit seinem Arzt reden. Was ein schwieriges Unterfangen war, aber ich habe es geschafft. Wie könnt ihr schon hier nachlesen.