Archiv der Kategorie: Angehörige

Mein Vater, der Läufer (2)

Es klingelte, ich ging zur Tür und war total geschockt. Vor der Tür standen mein Vater und ein junger Mann. Ich machte auf und bekam nur „Papa…?“ raus. Der junge Mann sagte: „Ihr Vater stand an der B3 und verteilte Geld, mitten im Regen. Ich dachte, da stimmt doch was nicht, hielt an und Ihr Vater meinte, er wolle nach Hause. Er hat mich hierher gelotst.“ Vor lauter Schreck bekam ich nur ein „Danke“ raus und starrte beide an. Mein Vater war pitschepatsche nass, es regnete seit Stunden in Strömen. Er hatte nur Hausschuhe an, Gott sei Dank eine lange Hose und ein Hemd, und stand zitternd in der Tür. „Ich fahr dann mal wieder. Ihnen alles Gute.“ Mein Vater, der Läufer (2) weiterlesen

Mein Vater, der Läufer (1)

„Mensch Papa, wo kommst du denn her?“ Er schaute mich irritiert an: „Das weiß ich doch nicht!“ Mitten in der Nacht, es war wohl etwa 3 Uhr, stand mein Vater orientierungslos in seinem Flur. Angezogen, ja wie soll ich das beschreiben. Angezogen war er, aber die lange Unterhose über der kurzen Jeans, die Jeansjacke unter dem Pulli – so stand er vor mir wie ein kleiner Junge. Er schaute mich betreten an, weil er nicht mehr wusste, wo er was und was er jetzt machen sollte. „Komm, zieh deinen Schlafanzug an und geh wieder ins Bett. Schau es ist dunkel draußen, Mitten in der Nacht. Da schlafen alle Leute.“ Mit einem „Achso“, drehte er sich um, ging ins Bad, zog seinen Schlafanzug an und legte sich wieder ins Bett, er rief mir noch: „Gute Nacht“, zu. Mein Vater, der Läufer (1) weiterlesen

La Montanara, Eis und Pferdekutsche

Huch, da stand der gleiche Eiswagen, wie er regelmäßig bei uns vor dem Spielplatz steht und mit seiner Klingel die Kinder anlockt, sich ein Eis zu kaufen. Ich war zum Sommerfest ins Heim eingeladen, in dem mein Vater bis April letzten Jahres wohnte, und bin gerne der Einladung gefolgt. Die Hofeinfahrt war vom Eiswagen versperrt. Als ich den Wagen und die Schlange davor sah, wurde ich plötzlich sechs Jahre zurückgebeamt. La Montanara, Eis und Pferdekutsche weiterlesen

So einfach kommt man nicht ins Krankenhaus

„Warum rufen Sie mich denn ständig an, Sie sind doch nicht meine Patientin!“ Ich musste 10x tief durchatmen bei dieser Antwort des Hausarztes meines Vaters, schließlich war ich seine Betreuerin und mein Vater schon sehr dement, er konnte und wollte nicht selbst mit dem Arzt Kontakt aufnehmen. Kapierte der Arzt das nicht? Damals im Frühjahr / Sommer 2013 überschlug sich alles für mich. „Weil ich Sie brauche, damit mein Vater ins Krankhaus kommt zur genaueren Untersuchung.“ „Sie können aber doch niemanden zwingen, ins Krankenhaus zu gehen. Nur bei massiver Selbstgefährdung.“ So einfach kommt man nicht ins Krankenhaus weiterlesen

Es frühlingt

„Ich hätt‘ gern ne Cola.“ „Ja Papa, du kannst auch Cola zum Frühstück haben.“ Wie gerne denke ich an die Gespräche zurück, die wir in einem kleinen Café am Rande des Bad Nauheimer Kurparks hatten. Das erste Jahr im Heim, als mein Vater noch recht fit war, sind wir einmal im Monat freitags morgens in dieses Café und haben gemeinsam gefrühstückt. Es frühlingt weiterlesen

I did it may way

Dieses Lied von Frank Sinatra hat mich in meinem Leben begleitet. Ich habe oft genug Wege eingeschlagen, von denen mir Verwandte, Freunde und ab und zu auch meine Eltern abrieten. Manchmal bin ich dabei auf die Nase gefallen, aber meist war es genau der richtige Weg.

Vielleicht habe ich das von meinem Vater, der mir immer wieder verschmitzt diese Geschichte erzählte: „Als ich als 18-Jähriger, nicht wie von meinem Vater geplant und organisiert mich bei der Bahn beworben hatte, sondern bei Siemens, hat er tagelang nicht mit mir gesprochen. Ich glaube, am liebsten hätte er mir noch den Hintern versohlt.“ I did it may way weiterlesen

Herbstzeit – Erinnerungszeit

Ich sitze am Esstisch und schaue meine Fotowand an. Früher habe ich diese Fotowände mit Familienbildern bei anderen Menschen immer etwas belächelt. Seit mein Vater tot ist, bin ich selbst stolze Besitzerin einer solchen Fotowand und meine Kinder belächeln das etwas. Aber so schare ich meine Lieben um mich. Bei jeder Mahlzeit schau ich in die Augen meines Vaters und meiner Mutter. Ich weiß genau wo und wann das Foto gemacht wurde: wenige Tage vor dem plötzlichen Tod meiner Mutter 2008 vor ihrem Lieblingsrestaurant in Spanien. Herbstzeit – Erinnerungszeit weiterlesen

Welt Alzheimertag – wir müssen reden!

Es ist schade, dass mich der Welt Alzheimertag erst interessierte als mein Vater an Demenz erkrankte. Dabei wird er seit 1994 am 21. September begangen. „Erst wenn man selbst betroffen ist, interessiert einem ein solch schwieriges Thema“, sagte mir mal die Tochter eines Bewohners im Heim. Ja, sie hatte recht. „Schwierige“ Themen lassen wir nicht an uns heran, bis sie uns einholen. Rückblickend bin ich froh, dass ich mit dem Thema schon seit etwa 2005 konfrontiert wurde. Ich arbeitete damals einige Jahre in Bad Nauheim in der Parkinson Klinik als PR Referentin. Welt Alzheimertag – wir müssen reden! weiterlesen

Als meine Mutter ihre Küche nicht mehr fand

Als sie Anfang siebzig war, findet die Mutter von Jörn Klare ihre Küche nicht mehr. Die Ärzte diagnostizieren Demenz. Für den Sohn wirft das große Fragen nach dem Wert und der Würde des Lebens mit Demenz auf. Kann ein Mensch seine Würde verlieren? Kann man sich selbst verlieren? Er spricht darüber mit Fachmenschen, wie Altenpfleger, Theologen, Soziologen und Psychologen.

„Demenz macht Angst. Angst ist der größte Risikofaktor für gute Hirnleistungen. Schön, dass es auch gute Nachrichten gibt: Neun von zehn Menschen jenseits der fünfundsechzig sind nicht dement.“ Als meine Mutter ihre Küche nicht mehr fand weiterlesen

In eigener Sache – wie geht es weiter?

Viele haben mich nach dem Tod meines Vaters am 7. April gefragt, was nun mit dem Blog geschieht. Ich werde ihn auf jeden Fall weiterführen. Er lebt in meinen Erinnerungen weiter. Als ich die letzten Wochen einige persönliche Sachen und Unterlagen sortieren musst, sind mir so viele Geschichte aus seinem und unserem Leben eingefallen. Darüber möchte ich schreiben. Aber es sind auch noch viele Erlebnisse, die ich mit ihm hatte in der Zeit der Erkrankung, die ich euch nicht vorenthalten möchte. In eigener Sache – wie geht es weiter? weiterlesen