Herbstzeit – Erinnerungszeit

Ich sitze am Esstisch und schaue meine Fotowand an. Früher habe ich diese Fotowände mit Familienbildern bei anderen Menschen immer etwas belächelt. Seit mein Vater tot ist, bin ich selbst stolze Besitzerin einer solchen Fotowand und meine Kinder belächeln das etwas. Aber so schare ich meine Lieben um mich. Bei jeder Mahlzeit schau ich in die Augen meines Vaters und meiner Mutter. Ich weiß genau wo und wann das Foto gemacht wurde: wenige Tage vor dem plötzlichen Tod meiner Mutter 2008 vor ihrem Lieblingsrestaurant in Spanien.

Ach ja, Spanien. Was hatten wir für schöne Jahre dort. Meine Eltern haben in den 80ern an einem wunderbaren Fleckchen Erde ein Haus gebaut. Nach dem Ruhestand verbrachten sie die meiste Zeit des Jahres dort. Sie „flüchteten“ nur im Juli und August, wenn die Touristen in Massen zum Urlauben kamen. „Die Touris sind nicht zum Aushalten“, sagten sie immer, „Gott schütze mich vor Sturm und Wind und Deutschen, die im Ausland sind!“

Und wieder fällt mein Blick auf die Fotos. Mir fallen viele Sprüche meiner Eltern dabei ein. Hart aber herzlich waren sie, also die Sprüche. Wenn meine Mutter meinen Vater kritisierte: „Ach Mann, was bist du wieder verbohrt“, war seine barsche Antwort oft genug: „Ich kann ja auch ruhig sein.“ Mutti und ich fingen dann immer schallend an zu lachen, weil er es eh nicht konnte; er musste einfach immer seinen „Senf“ (O-Ton Mutti) dazugeben. Der Satz „Ich kann ja auch ruhig sein“ wurde bei uns allen zum Running Gag und inzwischen zum geflügelten Wort in der Familie.

Ein weiterer Blick auf das Foto und die Erinnerungen schweifen ab. Als ich Kind war führte mein Vater andere, die ihn nicht so gut kannten, gerne aufs Glatteis. „Wir haben einen Dackel, der kennt die Uhr!“ Fragezeichen im Gesicht der anderen. „Ja, das glaubste nicht, was? Wenn ich eine Uhr hinlege und ein Stück Wurst, nimmt er die Wurst. Er kennt also die Uhr!“ Mit solchen Sprüchen bin ich groß geworden und jetzt fallen sie mir alle wieder ein.

Manchmal sitze ich schmunzelnd am Esstisch. Letzte Woche fragte der Freund meiner Tochter, ob wir Dübel hätten, die an der alten Rigipswand einen Garderobenhaken halten würden. „Du musst den Siemens Lufthaken aus dem Keller holen. Der hält immer und überall!“ Seltsame Blicke trafen mich, dann großes Gelächter – mein Papa! Ich übernehme jetzt seine Sprüche und führe sie fort. Ist das normal?

Ein weiterer wehmütiger Blick auf die Bilder an der Wand und wieder ein Spruch, der uns weiter begleitet. Meine Tochter hatte etwas gekocht, das wir zum ersten Mal probierten. Nach dem ersten Bissen schauten wir uns schon mit Lachfalten im Gesicht an und sagten unisono: „Ist mal was ganz anderes!“ Sein Spruch, wenn er meine Kochkünste loben wollte. Er war damals schon dement und aß jeden Tag etwas, das er nicht kannte. *seufz*

Salami ist ein Wort, das bei uns wahre Lachsalven auslöst. Die „Kongo-Salami“! Sie ist so berühmt, sie verdient eine extra Geschichte, einen eigenen Blogbeitrag – versprochen.

Dieser Tweet wurde mir dieser Tage in die Timeline gespült. Die Sprüche, die Erzählungen und die Witze meines Vaters, meiner Mutter und meines Großvaters (er war auch so ein Schalk) sorgen dafür, dass sie in meinem Gedächtnis bleiben. Der Gedanke, dass sie dadurch ein zweites Leben bekommen ist einfach wundervoll.

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