Ein Jahr später

Vor einem guten Jahr kam die WhatsApp „Malu, wie lange bist du noch in Urlaub?“ Bei dieser Frage zog es mir den Boden unter den Füßen weg, wusste ich doch, dass es jetzt zu Ende gehen würde. Papa ging es schon lange nicht mehr gut, es war ein ständiges Auf und Ab. Wir packten und fuhren noch in die Nacht hinein nach Hause. Ich wollte am nächsten Morgen an seinem Bett sitzen.

Es sollte noch eine Woche dauern, bis mein Vater bereit war zu sterben, bis ich bereit war Abschied zu nehmen, los zu lassen. Heute ist es genau ein Jahr her, dass er gestorben ist. In diesem Jahr haben wir alles einmal „ohne Papa“ erlebt. Alle Familiengeburtstage, alle Feiertage und am schlimmsten: seinen Geburtstag und Weihnachten. Diese Tage hatten Rituale, die im Laufe der Zeit einfach dazu gehörten. So freute er sich jedes Jahr, dass er „allein Geburtstag“ hatte. Er war am Geburtstag seiner Mutter geboren und hatte immer „mit“ ihr Geburtstag. Als sie älter wurde, war ihrer immer wichtiger, da es ja ihr letzter sein konnte. Das dauerte einige Jahre, wurde sie doch 89 Jahre alt. Sie starb 1989, aber Papa hat 28 Jahre betont, dass er heute alleine feiert! Wie tief doch manches sitzt.
Weihnachten ohne Papa. Auch wenn er die letzten 5 Weihnachtsfeste nicht mehr zu Hause war, so war er doch immer dabei. Er saß mit am Tisch, er saß mit unterm Baum und er war in unseren Gedanken beim Geschenke auspacken dabei. Auch hier gab es Rituale. Früher feierten wir ganz groß „in Familie“ und die Hunde meines Onkels bekamen immer ein großes Stück Fleischwurst. Sie sollten nicht leben „wie ein Hund an Weihnachten.“ Das erste Weihnachten ganz ohne Eltern ist schlimm.

Und jetzt erlebe ich jeden Tag die Tage des Wartens vom letzten Jahr wieder. Manchmal frage ich mich, wie ich das überstanden habe. In dieser Woche hatte ich eine Veranstaltung zu organisieren und zu leiten. Gut, da gingen ein paar Dinge daneben, aber nichts Schlimmes. Eine andere große Veranstaltung, die Ende April 2017 geplant war, musste vorbereitet werden. Auch das stand ich durch. Ich habe prächtig funktioniert, das kann ich sehr professionell und hat mir schon ungefähr zehn Jahre zuvor in einer sehr schwierigen Zeit wunderbar geholfen. Ich meine das gar nicht vorwurfsvoll. Es hilft, diese Zeit zu überstehen. Es schafft Abwechslung und die Gedanken kreisen nicht immer um den einen Punkt: den Verlust des Vaters.

Mir hilft das, weil ich mich etappenweise mit meiner Trauer auseinandersetzen kann. Nicht alles strömt auf mich ein. Früher wunderte ich mich über den Begriff des Trauerjahres. Konnte mir nicht vorstellen, dass man ein Jahr trauert. Nicht erst seit mein Vater tot ist, weiß ich, dass dieses Jahr notwendig ist, zum Verarbeiten, zum Nacherleben und zum Loslassen. Inzwischen freue ich mich, wenn mir Papas alte Sprüche einfallen, mit meinen Töchtern kann ich drüber lachen. Und das tut gut.

Und wahrscheinlich kann ich demnächst auch über die Vorbereitung der Beerdigung und die Urnenbeisetzung schreiben. Auch da gab es ein paar Ereignisse, die so typisch für diese Familie Schäfer sind.

(Foto: annca / pixabay)

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