Schlagwort-Archive: Akzeptanz

So einfach kommt man nicht ins Krankenhaus

„Warum rufen Sie mich denn ständig an, Sie sind doch nicht meine Patientin!“ Ich musste 10x tief durchatmen bei dieser Antwort des Hausarztes meines Vaters, schließlich war ich seine Betreuerin und mein Vater schon sehr dement, er konnte und wollte nicht selbst mit dem Arzt Kontakt aufnehmen. Kapierte der Arzt das nicht? Damals im Frühjahr / Sommer 2013 überschlug sich alles für mich. „Weil ich Sie brauche, damit mein Vater ins Krankhaus kommt zur genaueren Untersuchung.“ „Sie können aber doch niemanden zwingen, ins Krankenhaus zu gehen. Nur bei massiver Selbstgefährdung.“ So einfach kommt man nicht ins Krankenhaus weiterlesen

Ein Jahr später

Vor einem guten Jahr kam die WhatsApp „Malu, wie lange bist du noch in Urlaub?“ Bei dieser Frage zog es mir den Boden unter den Füßen weg, wusste ich doch, dass es jetzt zu Ende gehen würde. Papa ging es schon lange nicht mehr gut, es war ein ständiges Auf und Ab. Wir packten und fuhren noch in die Nacht hinein nach Hause. Ich wollte am nächsten Morgen an seinem Bett sitzen.

Es sollte noch eine Woche dauern, bis mein Vater bereit war zu sterben, bis ich bereit war Abschied zu nehmen, los zu lassen. Ein Jahr später weiterlesen

Einfach unvergesslich

„Claire, wie sollen wir das denn bloß den Kindern sagen?“ Claire ist seit kurzem wieder glücklich verheiratet und genießt das Leben mit Ihren beiden Töchtern. Als die Diagnose Alzheimer gestellt wird bricht ihre Welt zusammen. Die noch junge Frau hatte sich ihre Zukunft anders vorgestellt. Einfach unvergesslich ist der erste Roman, den ich zum Thema Demenz gelesen habe. Faszinierend ist, wie es die Autorin schafft, erzählerisch das komplexe Beziehungsgeflecht in der Familie, das sich nun radikal wandelt, locker und zugleich spannend aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu schildern. Der Ehemann, die Mutter und die Tochter von Claire schauen auf das Leben und die beängstigenden Veränderungen. Claire beschließt, einige Dinge in der Familie noch zu regeln, bevor sie sich gar nicht mehr orientieren und einmischen kann. Einfach unvergesslich weiterlesen

Welt Alzheimertag – wir müssen reden!

Es ist schade, dass mich der Welt Alzheimertag erst interessierte als mein Vater an Demenz erkrankte. Dabei wird er seit 1994 am 21. September begangen. „Erst wenn man selbst betroffen ist, interessiert einem ein solch schwieriges Thema“, sagte mir mal die Tochter eines Bewohners im Heim. Ja, sie hatte recht. „Schwierige“ Themen lassen wir nicht an uns heran, bis sie uns einholen. Rückblickend bin ich froh, dass ich mit dem Thema schon seit etwa 2005 konfrontiert wurde. Ich arbeitete damals einige Jahre in Bad Nauheim in der Parkinson Klinik als PR Referentin. Welt Alzheimertag – wir müssen reden! weiterlesen

Der Tag X

„Hallo mein Name ist Malu Schäfer und jetzt halten Sie mich bitte nicht für verrückt oder pietätlos, es ist noch niemand gestorben. Aber mein Vater war gerade sehr krank und ich dachte tatsächlich, er würde sterben. Nun überliege ich, schon mal ein Gespräch mit Ihnen zu führen, damit ich weiß, was auf mich zukommt.“ Kann man sich auf den Tag X vorbereiten? Gemeint ist hier der Todestag eines geliebten Angehörigen. Nein, ich rede nicht von den Gefühlen. Darauf kann man sich nicht vorbereiten. Auch wenn man es weiß, dass es in absehbarer Zeit soweit sein wird, ist es fürchterlich, wenn es passiert. Der Tag X weiterlesen

Keine Frage des Alters!

handDa sitzen wir gemütlich im Gemeinschaftszimmer, trinken Kaffee und essen Kuchen. Es ist Kaffeezeit und ich sitze mit meinem Vater am Tisch. Herr Schimmelschön-Käserübe-Langenscheid hat seinen eigenen Auftritt. Er steht in der Tür und lässt seinen Blick kreisen, zückt ein Rillo und schaut die Mitarbeiterin, die den Kuchen verteilt, erwartungsvoll an. Sie reagiert nicht. Er steckt den Rillo in den Mund und zückt das Feuerzeug. „Herr Schimmelschön-Käserübe-Langenscheid, Sie wissen doch, dass Sie hier nicht rauchen dürfen“, sagt sie. Mein Vater dreht sich rum, sagt aber nichts. Keine Frage des Alters! weiterlesen

Zwei Jahre Bürstenwurm

GeburtstagskuchenHeute vor genau zwei Jahren startete ich mit diesem Blog. Schon bevor mein Vater ins Heim kam, hegte ich die Idee, ein Buch über den Alltag mit einem Demenz-Patienten zu schreiben. Ich machte mir Notizen, versuchte eine Struktur zu finden und stellte fest, es waren immer nur kleine Episoden und 1000 lose Enden, die ich im Kopf hatte. Das Konzept blieb löchrig und ich legte das Projekt auf Eis. Auch weil mir klar wurde, dass ich für ein Buch dranbleiben musste. Das Dranbleiben jedoch konnte ich mir als pflegende Angehörige nicht vorstellen. Viel zu oft musste ich sowieso meine Arbeiten und Vorhaben unterbrechen und mich um meinen Vater kümmern. Zwei Jahre Bürstenwurm weiterlesen

Die Auslöschung

Auslöschung_ARDWas für ein Titel. Was für ein Film. Es geht um eine späte tiefe Liebe zwischen der Restauratorin Judith Fuhrmann (Martina Gedeck) und dem Kunsthistoriker Ernst Lemden (Klaus-Maria Brandauer). Als das Glück perfekt erscheint, beide zusammen ziehen wollen, wird Ernst „komisch“. Es dauert eine Weile, bis Judith klar wird, dass die „Schusseligkeit“ ihres Liebsten auf Demenz hindeutet. Ernst verliert sein Intellekt, seine rhetorische Gewandtheit und Brillanz. Es kommt immer wieder zu Streitigkeiten, weil er seine Krankheit sehr ernst nimmt. Die Auslöschung weiterlesen

Bis der Weihnachtsmann kommt…

Weihnachtsfeier2015Weihnachtsfeier! Diese wurden mit viel Liebe von den Mitarbeitern vorbereitet. Ich war gespannt, wie es in diesem Jahr sein würde, bei seiner ersten wartete Papa vergeblich auf Saddam, bei der zweiten im letzten Jahr bekam er Tinnitus vom vielen Singen. Was würde diesmal sein?
Er wollte in diesem Jahr so lange am Tisch sitzen bis der Weihnachtsmann kommt. Das hat er mir trotz Wortfindungsproblemen immer wieder versichert. Bis der Weihnachtsmann kommt… weiterlesen

Ich hadere manchmal

Zwei Senioren sitzen auf einer Bank im Park im Sommer

„Ach, das hat doch die Mutti verabredet, was weiß ich!“ Diese Aussage hörte ich immer bei meinem Vater, wenn ich nach einer Verabredung am Wochenende fragte. Meine Eltern gehören zu der Generation, in der die Ehefrauen für die Sozialbeziehungen zuständig waren. So hat meine Mutter wie selbstverständlich auch die Termine organisiert, die mein Vater mit seinen Schulfreunden ausgemacht hat. Und wie selbstverständlich sind diese Freunde auch die Freunde meiner Mutter geworden. Ich habe nie erlebt, dass mein Vater mal mit seinen Kameraden allein losgezogen wäre. Ich hadere manchmal weiterlesen