Sprüche klopfen

Parent With Adult Children Enjoying Party In Garden„Oh, es waren mal wieder neue Leute dabei, dein Vater konnte alle seine alten Geschichten und Sprüche loswerden“, das antwortete meine Mutter oft, wenn sie von einer Einladung heimkamen und ich wissen wollte, wie es denn war. Stimmt. Mein Vater stand gerne im Mittelpunkt und erzählte gerne Geschichte, die von Mal zu Mal anders wurden. Er schmückte gerne aus, um die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer zu bekommen und sie hörten gerne zu. So war mein Großvater schon, „das liegt in der Schäfer-Familie“, klärte meine Großmutter auf.

Umso schlimmer war es für mich zu beobachten wie er gut zwei Jahre nach Mamas Tod immer schweigsamer wurde. Er nahm kaum mehr Geburtstagseinladungen an. Wenn jemand aus dem Freundeskreis unangemeldet kam, machte er nur mürrisch auf, freute sich aber trotzdem sichtlich.
Während der Woche aß er bei seiner Schwägerin (meiner Tante), so hatte er einen festen Termin am Tag. Jedes Mal vorher sagte er, er wolle nicht mehr hin, weil „da schläächt Zeuch‘“ geredet wird und alle durcheinander. Genauso beschwerte er sich über die regelmäßigen Anrufe einer alten Schulfreundin: „die redet immer das Gleiche, das interessiert mich nicht.“

Später habe ich verstanden, dass er schon damals wohl Probleme hatte, Gesprächen zu folgen und den Sinn zu erfassen. Meine Tante berichtete, dass er sich nicht am Tischgespräch beteilige und nur Fragen stellen würde, aber dann nicht weiter reden würde. Diese Beobachtung machte ich zu Hause auch. Wenn ich einfach weiter fragte, tat er so, als ob er nichts gehört hätte oder antwortete er ausweichend: „Jaja …. und das Essen schmeckt gut.“ Zu der Zeit (Mitte 2011) ging er schon nicht mehr zu meiner Tante essen. Er sagte, er habe keine Lust mehr, die würden immer streiten. Offensichtlich haben sie sich mit ausweichenden Antworten nicht mehr zufrieden.

Es gelang ihm fast bis zu dem Zeitpunkt als er im Juli 2013 ins Krankenhaus kam, bei anderen zu verschleiern, dass ihm die Worte nicht mehr einfielen oder er nicht mehr verstand, worum es im Gespräch ging. Manchmal wurde er auf der Straße angesprochen, wenn er den Müll rausstellte: „Wie geht’s dir denn?“ Seine pauschale Antwort: „Als so weiter!“ Es gibt ja so viele Redewendungen, die auf alles passen. Diesen Satz und ein weiterer Lieblingssatz: „Is‘ mal was ganz anderes“, passen irgendwie immer als Antwort zu einer Frage. Das „Is‘ mal was ganz anderes!“ ist bei uns zum geflügelten Wort geworden. Der Satz passte seiner Meinung nach zum Essen, zum Fernsehprogramm, zur neuen Brotsorte der Bäckerei, zur Krankheit seiner Schulfreundin, zum Postbote, der ein Paket brachte und zum Nachbar, der wissen wollte, ob er die überhängenden Zweige am Gartenzaun abschneiden dürfe und, und, und …

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