Das will ich nicht wahrhaben

Junge Blondine hält sich die Hände vors Gesicht„Es ist in den letzten sechs Wochen deutlich schlimmer geworden, Frau Schäfer! Er kann, außer Zähne putzen, praktisch nichts mehr selbst machen. Er nimmt kognitiv kaum noch etwas auf.“ Das saß! Und wenn ich ehrlich bin, es bestätigt meine Beobachtung, ich wollte sie nur nicht wahrnehmen. Mein Vater zog sich in den letzten Wochen immer mehr zurück. Jedes Mal wenn ich kam, lag er in seinem Bett, egal um welche Uhrzeit am Nachmittag. Oft genug, hat er sich eingeschlossen, weil er seine Ruhe haben wollte. Nicht immer, öffnete er mir nach heftigem Klopfen und Rufen, so wie er das früher getan hat. Manchmal bemerkt er gar nicht, dass jemand geklopft hat.

„Papa, mach bitte auf, ich bin‘s, Malu!“ Nach gefühlten 5 Minuten schlurfte er zur Tür, schloss auf, sah mich an und mir war klar, dass er mich nicht erkannte. Dieses Szene hatte ich in den letzten Wochen praktisch jedes Mal erlebt.
Zuvor hatte er eine sehr agile Phase, einmal büxte er auch nachts aus, tagsüber lief er durch das ganze Hause, „räumte“ auf und war kaum zu bremsen oder zu den Mahlzeiten an den Tisch zu bringen. Wenn ich mit ihm spazieren ging, rannte er oft los und ich hatte meine Mühe, ihn zu halten und aufzupassen, dass er nicht hinfiel. Das war anstrengend, aber jetzt wünsche ich mir diese Zeit zurück.

Er reagiert kaum noch, blickt nicht auf, wenn ich komme und mich über ihn beuge, um ihm einen Kuss auf die Wange zu geben. Selbst der magische Satz: „Ich habe deine Lieblingsschokolade dabei“, half heute nicht. Nun „die Ansage“ der Stationsleitung, dass die kognitiven Fähigkeiten deutlich nachgelassen haben und auch sein Interesse an den Gruppenangeboten. Früher ist er gerne in die Gruppenstunde gegangen, hat dort sogar gebacken und mir freudig erklärt, dass er Kuchen gebacken und gegessen habe. Nun liegt er nur noch im Bett, interessiert sich für nichts und die Mitarbeiter schaffen es gerade noch, ihn zu überreden nach den Mahlzeiten noch mal 5 Minuten am Tisch sitzen zu bleiben.

Wie soll das weitergehen? Mir fällt es schwer darüber nachzudenken. Noch will ich nicht akzeptieren, dass er mich nicht mehr erkennt. Vielleicht wird es ja wieder besser, vielleicht ist es nur eine Phase? Keine Ahnung, das kann niemand sagen. Vielleicht muss ich mich auch damit abfinden, dass er bald nur noch im Bett liegt und völlig mit der Außenwelt abgeschlossen hat.

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