Im Krankenhaus – Notaufnahme

Erste Hilfe5:45 Uhr und mein Handy klingelte. Völlig schlaftrunken starrte ich wütend auf das Display. „Wer um Himmels Willen ruft um diese Zeit an?“ Plötzlich erkannte ich die Nummer auf dem Display – das Heim – da rief mich jemand aus dem Heim an. Schon gestern, ging es Papa nicht gut und er sollte dem Neurologen vorgestellt werden, noch in dieser Woche. „Warum zum Teufel rufen die um diese Uhrzeit an?“ Ganz langsam wurde mir klar, dass etwas passiert sein muss und es besser wäre, wenn ich jetzt drangehen würde. Mit einem zaghaften „Jaaaa bitte?“ nahm ich den Anruf entgegen. „Wir müssen Ihnen leider sagen, dass Ihr Vater vor fünf Minuten mit dem RTW ins Krankenhaus gefahren wurde.“ Wumm! Das saß! Wie, was wo? „Ja, das Herz machte wieder große Probleme und wir fanden es notwendig, dass er ins Krankenhaus kommt.“ Mir ging alles Mögliche durch den Kopf, aber sortiert bekam ich das nicht und stotterte am Telefon rum.

Offensichtlich kennen die Mitarbeiter des Heims genügend verwirrte Angehörige, die morgen so früh angerufen werden und wissen mit ihnen umzugehen. Ich erfuhr, wo er hingebracht wurde und ab wann ich dort anrufen könnte, um mehr zu erfahren.
Ich stand auf und ging unter die Dusche. Ich hoffte, dass das meinen Kopf befreien würde von dem Gedankenkarussell. Nein, es half nicht, aber mein „Funktionier-Modus“ sprang an. Ich machte mir einen Kaffee und starrte den Esstisch an. Ich machte mir einen 2. Kaffee und starrte den Esstisch an. Nach dem 3. Kaffee um 7 Uhr fühlte ich mich gewappnet für die Welt und beschloss, sofort ins Krankenhaus zu fahren. Es waren ja nur 15 Minuten Fahrzeit.

In der Notaufnahme ließ man mich gleich zu ihm. Er sei stabil, beruhigt hatte mich diese Aussage nicht. Ich erkannte ihn kaum, angeschlossen an Apparate, die alle Vitalfunktionen gemessen haben, den Kopf zur Seite gedreht, in Abständen sehr schwer atmend, lag mein Vater im Bett und rührte sich nicht. Eine sehr liebe Pflegerin kam und hat mir berichtet, was bisher geschah und gemacht wurde. Der Ruhepuls war noch viel zu hoch. „Wenn Sie eine halbe Stunde warten können, dann kommt der Arzt zu Ihnen, es wird gerade Übergabe gemacht. Haben Sie die Zeit?“ Blöde Frage! Ich hatte alle Zeit der Welt, die Zeit war stehen geblieben um 5:45 Uhr.

Ich streichelte meinen Vater, versuchte rhythmisch und ruhig mit ihm zu atmen und hoffte, wenn er wieder schnell atmete, dass er sich meinem Rhythmus anpassen würde. Warum ich das machte? Keine Ahnung. Es half auch nichts. Ich streichelte ihn sanft über den Kopf, sprach mit ihm, ohne eine Reaktion. In meinem Hinterkopf purzelten alle Gedanken dieser Welt durcheinander. Wird er wieder? Stirbt er jetzt? Was soll ich tun? Was wird mit ihm? Was muss ich organisieren? Welche Termine habe ich? Muss ich die verschieben? Kann mir denn niemand sagen, was nun passiert?

In diesem Moment kam ein ganz wunderbarer Arzt, stellte sich vor und erklärte mir in aller Ruhe und Vorsicht, was passiert war und was sie bis jetzt medizinisch gemacht haben und was geplant ist. „Haben Sie eine Patientenverfügung?“ „Ja natürlich, die liegt im Heim, aber ich kann Sie Ihnen kopieren und später faxen.“ Ganz vorsichtig fragte er danach, ob mein Vater reanimiert werden wolle. Er hat das so einfühlsam, ja fast liebevoll gefragt, dass mir die Tragweite erst viel später bewusst wurde. „Nein, das will er nicht!“ Das kann ich zum Glück guten Gewissens sagen, ich habe früh und immer wieder intensiv mit meinen Eltern über solche Eventualitäten gesprochen. Trotzdem war es unsagbar schwer, diesen Satz zu formulieren. Ich schaute dem Arzt in die Augen und fragte: „Für welches Leben reanimieren?“ Er blickte verständnisvoll zurück: „Ich verstehe Sie. Danke für die Auskunft!“

Ich musste jetzt irgendwas machen. Also versprach ich dem Arzt, die Patientenverfügung nachher aufs Fax zu legen. Dann fuhr ich ins Heim, wo mich schon einige erwarteten und Bericht erstattet haben wollten. Ich packte ein paar Sachen für meinen Vater und fuhr erst mal nach Hause, um etwas zu Frühstücken. Inzwischen war es 10 Uhr und mein Kreislauf machte sich bemerkbar. Um die Mittagszeit wolle ich wieder ins Krankenhaus.

(Das war vor genau zwei Wochen. Mein Vater blieb 10 Tage im Krankenhaus, inzwischen ist er wieder im Heim. Es geht ihm nicht wirklich gut. Fortsetzung folgt…)
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3 Gedanken zu „Im Krankenhaus – Notaufnahme

  1. Danke für diesen sehr persönlichen Eintrag (und überhaupt für den ganzen Blog).
    Ich weiß gar nicht so recht, was ich euch wünschen soll. Dass dein Vater noch einige schöne Tage hat? Klingt das hart? Dass er nicht so sehr leiden muss? Dass ihr noch ein bisschen Zeit miteinander verbringen könnt? Es fällt mir schwer, da geeignetere Worte zu finden als das „Alles Gute!“, das ich meinen Patienten und deren Angehörigen wünsche. :/

    1. Hermione, ich weiß selbst nicht, was ich mir für ihn wünschen soll. Ich bin hin und hergerissen.
      Es geht ihm wieder besser seit er im Heim ist. Dort hat das Personal einfach mehr Zeit für schwer Demente.
      Ich wünsche, dass er nächsten Monat noch seinen 80. Geburtstag feiern kann und im November seinen Urenkel sehen kann. Aber realistisch muss ich sagen, dass er das kaum mitbekommen wird. …

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