Da sitzen wir gemütlich im Gemeinschaftszimmer, trinken Kaffee und essen Kuchen. Es ist Kaffeezeit und ich sitze mit meinem Vater am Tisch. Herr Schimmelschön-Käserübe-Langenscheid hat seinen eigenen Auftritt. Er steht in der Tür und lässt seinen Blick kreisen, zückt ein Rillo und schaut die Mitarbeiterin, die den Kuchen verteilt, erwartungsvoll an. Sie reagiert nicht. Er steckt den Rillo in den Mund und zückt das Feuerzeug. „Herr Schimmelschön-Käserübe-Langenscheid, Sie wissen doch, dass Sie hier nicht rauchen dürfen“, sagt sie. Mein Vater dreht sich rum, sagt aber nichts. Der Mann mit dem Rillo zuckt mit den Schultern, murmelt: „Schöne Maid, dann wird das heute nichts mit uns zwei“, zwinkert mir zu und tritt ab.
Papa schüttelt den Kopf und isst seinen Kuchen weiter. Kaum fünf Minuten später kommt Herr Schimmelschön-Käserübe-Langenscheid wieder, setzt sich auf die andere Seite meines Vaters, schaut mich an und stellt fest: „Sie sind aber eine nette Frau, machen Ihrem Mann Kuchen.“ Papa schaut mich verwundert an, offensichtlich hat er es verstanden. „Das ist mein Papa und wir essen hier immer Kuchen zusammen, wenn ich ihn besuche.“ „Und wie alt ist Ihr Herr Papa?“ „Oh, er ist gerade 80 geworden.“ Herr Schimmelschön-Käserübe-Langenscheid schaut ihn lange an und entgegnet: „Meine Güte, so sieht er doch gar nicht aus!“ Mein Vater blickt an sich runter, er scheint Bestätigung für diese Aussage zu suchen. „Gell, er sieht noch sehr gut aus für sein Alter!“ Der Mann mit dem Rillo ist neugierig: „Und wie alt sind Sie? „Ich bin 58.“ „Dann können Sie doch nicht seine Tochter sein, Töchter sind doch nicht älter als ihre Väter.“ Ich schmunzle und sage nichts. „Sie wollen mir also Ihr Alter nicht verraten! Was glauben sie wie alt ich bin?“
Vorsicht Glatteis! Das ist schon eine heikle Frage bei nicht dementen Menschen. Ich liege immer falsch, ich kann einfach nicht schätzen. Ich druckse rum, aber das bemerkt er gleich. „Nun frei heraus, schöne Maid.“ Okay, ich wage es: „Auf keinen Fall älter als 55.“ Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war das grundfalsch. Wenn ich bloß wüsste, ob er sich jünger oder älter fühlt. Enttäuscht sagt er: „Och, NEIN!“ „Verraten Sie es mir, wie alt Sie sind?“ „Neee, wenn Sie nicht raten können, dann sollen Sie es nicht wissen.“ „Sagen Sie mir wenigstens, ob sie jünger oder älter sind.“ Ach du Schreck, seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, war es ein Verbrechen, ihn eventuell älter zu schätzen.
Plötzlich grätscht Frau Müller rein: „Kindchen, der Herr ist doch erst 25!“ Und was soll ich sagen? Da strahlt der Herr. Offensichtlich hat jemand verstanden, wie alt er sich fühlt. Frau Müller klärt mich auf: „Gestern war er noch 46 und heute ist er 25.“ Papa nickt verständnisvoll, er hat’s kapiert!
Mein Fazit des Tages: Alles keine Frage des Alters, das ist je nach Gefühlslage jeden Tag anders.