Heute vor genau zwei Jahren startete ich mit diesem Blog. Schon bevor mein Vater ins Heim kam, hegte ich die Idee, ein Buch über den Alltag mit einem Demenz-Patienten zu schreiben. Ich machte mir Notizen, versuchte eine Struktur zu finden und stellte fest, es waren immer nur kleine Episoden und 1000 lose Enden, die ich im Kopf hatte. Das Konzept blieb löchrig und ich legte das Projekt auf Eis. Auch weil mir klar wurde, dass ich für ein Buch dranbleiben musste. Das Dranbleiben jedoch konnte ich mir als pflegende Angehörige nicht vorstellen. Viel zu oft musste ich sowieso meine Arbeiten und Vorhaben unterbrechen und mich um meinen Vater kümmern.
Als er dann ins Heim kam, war ich zu beschäftigt, die Dinge zu ordnen, zu überlegen, was ich mit der Wohnung machen sollte und den ganzen Papierkram zu erledigen. Danach musste ich mich selbst ordnen. Wie wollte ich beruflich wieder durchstarten? Ich hatte meine Selbständigkeit doch sehr zurückgefahren in den drei Jahren als mein Vater noch zu Hause war. Jetzt hatte ich Zeit und Elan, wieder loszulegen und beruflich Gas zu geben.
Dinge, die auf Eis liegen kann man wieder auftauen. Als mein Vater sich eingewöhnt hatte und alles geregelt war, taute die Idee „Buch“ wieder auf. Jetzt hatte ich aber beruflich Gas gegeben und irgendwie konnte ich mich mit der Idee zu einem Buch nicht mehr recht anfreunden. Da ich „Social Media kann“ und eh viel schrieb und schon zwei Blogs hatte, was lag näher als einen dritten Blog zu eröffnen? Gesagt getan. Konzept überlegt, Ziele überlegt und dann alles Technische geklärt und eingerichtet.
Mir war wichtig, dass der Alltag, die Erlebnisse, die Besonderheiten, die schönen und die weniger schönen Seiten als pflegende Angehörige sichtbar wurde. Mein Ziel war und ist es, die Krankheit ins Licht der Öffentlichkeit zu bringen, mit einem realistischen, aber nicht mit einem voyeuristischen Blick. Respektvoll und humorvoll sollten meine Beiträge werden, ich hoffe, das ist angekommen. Ohne ein Lächeln im Gesicht geht es nicht, ohne dieses Lächeln ist die Krankheit nicht zu ertragen, zumindest für mich nicht. Ich bin sicher, mein Vater würde selbst über einiges herzlich lachen, wenn er die Beiträge lesen könnte und vieles bestimmt drastischer formulieren. Er war ein guter Erzähler und ich werde in nächster Zeit auch einige Geschichten aus seinem Berufsleben erzählen, sie gehen sonst verloren. Er hat so viel Spannendes erlebt und diese Erlebnisse immer wieder erzählt. Manchmal stachelte ich ihn an: „Erzähl doch noch mal, wie du mit einer Salami im Gepäck aus dem Kongo geflüchtet bist!“
Am 26.08.2014 ging der „Bürstenwurm“ online mit dem ersten Beitrag über die Prima Ballerina. Ich war die Tage darauf überwältigt über die Reaktionen, die ich bekam. Fremde Menschen und nicht nur aus Deutschland schrieben mir E-Mails, schrieben über ihre Erfahrungen und wünschten mir Glück und viel Aufmerksamkeit für den Blog. Die Zugriffszahlen schnellten in die Höhe und machten mich sprachlos. Bei uns im Ort sprachen mich Leute an, die betreten waren, weil sie nichts von der Demenz meines Vaters mitbekommen hatten.
Inzwischen hat Bürstenwurm viele regelmäßige Leser, ich trage hoffentlich ein Stück dazu bei, die Krankheit in den Blick der Öffentlichkeit zu rücken. Es gab im letzten Jahr ein Zeitungsinterview mit der Lokalzeitung. Danach kamen wieder einige Leser hinzu.
Ein Dreh für das Jenke-Projekt musste ich vor drei Wochen leider kurzfristig absagen, weil wieder ein kurzer Krankenhausaufenthalt dazwischenkam – wer weiß wofür es gut war.
Ich danke von Herzen allen Lesern der letzten zwei Jahre. Ihr tragt mit dazu bei, dass Demenz immer weniger tabuisiert wird. Redet darüber! Es werden in Zukunft immer mehr Menschen von dieser Krankheit betroffen sein. Und viele Angehörige wissen nicht, an wen sie sich wenden können. Aufklärung tut Not!
Und wer weiß, vielleicht wird aus diesem Blog doch noch mal ein Buch.