Schlagwort-Archive: eigene Logik

Keine Frage des Alters!

handDa sitzen wir gemütlich im Gemeinschaftszimmer, trinken Kaffee und essen Kuchen. Es ist Kaffeezeit und ich sitze mit meinem Vater am Tisch. Herr Schimmelschön-Käserübe-Langenscheid hat seinen eigenen Auftritt. Er steht in der Tür und lässt seinen Blick kreisen, zückt ein Rillo und schaut die Mitarbeiterin, die den Kuchen verteilt, erwartungsvoll an. Sie reagiert nicht. Er steckt den Rillo in den Mund und zückt das Feuerzeug. „Herr Schimmelschön-Käserübe-Langenscheid, Sie wissen doch, dass Sie hier nicht rauchen dürfen“, sagt sie. Mein Vater dreht sich rum, sagt aber nichts. Keine Frage des Alters! weiterlesen

Zwei Jahre Bürstenwurm

GeburtstagskuchenHeute vor genau zwei Jahren startete ich mit diesem Blog. Schon bevor mein Vater ins Heim kam, hegte ich die Idee, ein Buch über den Alltag mit einem Demenz-Patienten zu schreiben. Ich machte mir Notizen, versuchte eine Struktur zu finden und stellte fest, es waren immer nur kleine Episoden und 1000 lose Enden, die ich im Kopf hatte. Das Konzept blieb löchrig und ich legte das Projekt auf Eis. Auch weil mir klar wurde, dass ich für ein Buch dranbleiben musste. Das Dranbleiben jedoch konnte ich mir als pflegende Angehörige nicht vorstellen. Viel zu oft musste ich sowieso meine Arbeiten und Vorhaben unterbrechen und mich um meinen Vater kümmern. Zwei Jahre Bürstenwurm weiterlesen

Aussteigen – wie kommst du hier rein?

doors-1587329_640„Sag mal, wie kommst du hier eigentlich rein?“ Diese Frage stellte mein Vater in den ersten Monaten seines Heimaufenthaltes ständig und mit einem vorwurfsvollen Unterton. Stereotyp antwortete ich: „Durch die Tür!“ Jedes Mal schaute er mich ungläubig an. „Doch glaub mir. Ich klingle und mir macht jemand auf.“ Er nahm die Antwort hin, ich sah ihm aber an, dass er damit nicht zufrieden war, ging jedoch nicht darauf ein. Mir war klar, worauf er hinauswollte. Aussteigen – wie kommst du hier rein? weiterlesen

Das bin ich

ZimmerschildFreudig kam mir mein Vater entgegen gelaufen, als er mich im Treppenhaus sah. Es war im August 2013 kurz nachdem er ins Heim gekommen ist. „Schau mal“, rief er, „das bin ich!“ Neugierig lief ich hinterher, gespannt darauf, welches Bild er mir nun zeigen würde. Ich dachte an diejenigen, die ich in seinem Zimmer als Collage zusammengestellt hatte, da war auch ein sehr schönes von ihm dabei. Doch vor seiner Zimmertür machte er Halt und deutete auf ein Schild neben der Tür. Das bin ich weiterlesen

„Vater“ – ein Theaterstück

Vater_Theater„Irgendetwas Seltsames passiert. Als hätte ich Löcher im Gedächtnis. Kriegt keiner mit. Winzig klein. Mit bloßem Auge nicht zu sehen. Aber ich, ich spüre es …“, sagt André zu seiner Pflegerin am Ende im Heim.

André ist die Hauptfigur im Theaterstück „Vater“ von Florian Zeller. Es zeigt 15 Szenen aus dem Leben des dement werdenden André. Seine Tochter versucht, eine Betreuerin zu organisieren, ihr Vater  meint, er komme natürlich noch sehr gut allein zurecht. „Vater“ – ein Theaterstück weiterlesen

Der Wasserschaden

Der Wasserschaden Es war Anfang April 2013. Ich war mitten in den Vorbereitungen einer größeren Veranstaltung und entsprechend angespannt. Ein Promi sollte der Gastredner sein und da musste alles stimmen. Am Vortag war ich in der Location, um alles für den großen Tag zu richten. Eine Freundin war bei meinem Vater. Sie wollte so nett sein, ein bisschen mit ihm im Garten zu arbeiten. Der Wasserschaden weiterlesen

Bis der Weihnachtsmann kommt…

Weihnachtsfeier2015Weihnachtsfeier! Diese wurden mit viel Liebe von den Mitarbeitern vorbereitet. Ich war gespannt, wie es in diesem Jahr sein würde, bei seiner ersten wartete Papa vergeblich auf Saddam, bei der zweiten im letzten Jahr bekam er Tinnitus vom vielen Singen. Was würde diesmal sein?
Er wollte in diesem Jahr so lange am Tisch sitzen bis der Weihnachtsmann kommt. Das hat er mir trotz Wortfindungsproblemen immer wieder versichert. Bis der Weihnachtsmann kommt… weiterlesen

Er hat „Malu“ gesagt

SommerfestEs ist Sommerfest im Heim. Natürlich scheint die Sonne und alles ist fein hergerichtet. Girlanden schmücken den Zaun, Biertischgarnituren sind im Hof aufgestellt, Blumenkästen frisch dekoriert und zur Zierde neu aufgestellt. Eine Band schmettert (etwas zu laut) abwechselnd die neuesten Popsongs und Volkslieder. Alle sind fröhlich, holen sich Kuchen und Kaffee, viele Verwandte sind da und schnattern mit Bewohnern und Mitarbeitern um die Wette. Er hat „Malu“ gesagt weiterlesen

Seitenlage

Sonniges Einzelzimmer im Pflegeheim„Ihr Vater sitzt schon seit einer halben Stunde fröhlich im Gemeinschaftsraum“, sagte die Mitarbeiterin als ich das letzte Mal im Heim war. Ich starrte sie ungläubig an, lief ins Zimmer und wirklich, da saß er. Als er mich kommen sah, huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Das bildete ich mir nicht ein. Ich setzte mich neben ihn, er drehte den Kopf zu mir und hauchte einen Kuss auf meine Wange zur Begrüßung. Ich war sprachlos, das gab‘s schon lange nicht mehr. Seitenlage weiterlesen