„Papa, du siehst aber sexy aus!“ Er stand mit dem Rücken zu mir in Unterhosen und T-Shirt im Gemeinschaftsraum. Als ich ihn ansprach drehte er sich langsam um und schaute mich an. Der Pfleger bemerkte fast gleichzeitig: „Herr Schäfer, ziehen Sie sich lieber die langen Hosen an, sonst fallen die Damen hier in Ohnmacht.“ Jetzt lächelte mein Vater verschmitzt. Ich nahm ihn an der Hand, wir gingen gemeinsam in sein Zimmer und suchten eine Hose aus, in der er schick aussah. Kleine Kostbarkeiten weiterlesen
Sprachpurzelbäume
Ein Freund und mein Vater sitzen sich gegenüber und reden über mich. Es fällt mir schwer, mich zurückzuhalten bei diesem Besuch. Es war vor ungefähr eineinhalb Jahren. Mein Vater hatte wieder einen geschäftigen Tag und ging zwischen Zimmer und Gemeinschaftsraum im Minutentakt hin und her. Die Mitarbeiterin im Gemeinschaftsraum schickte ihn immer wieder zurück mit der Bemerkung: „Herr Schäfer, Sie haben doch Besuch. Gehen Sie zu Ihrer Tochter.“ Sprachpurzelbäume weiterlesen
Der Rasierapparat
„Mensch Papa, hast du ausgebeulte Taschen“, er schaute mich unverwandt an, drehte sich um und ging weiter den Gang entlang. Es war in der Klinik im Sommer 2013 bevor er ins Heim kam. Sein Zustand hatte sich die Wochen zuvor so stark verschlechtert, dass der Aufenthalt notwendig wurde. Der Rasierapparat weiterlesen
Das Interview
Die Redakteurin der Wetterauer Zeitung sprach mich direkt an: „Ich möchte gerne über deinen Blog berichten. Das Thema ist wichtig und ich finde deine Geschichten berührend.“ Ich war sprachlos, meine persönlichen Erfahrungen waren also wichtig genug, dass die Zeitung darüber berichten wollte. Aber das genau ist ja ein Ziel des Blogs, dass in der Öffentlichkeit über dieses Krankheitsbild geredet wird, dass man darüber reden „darf“ und nichts verschleiern muss. Das Interview weiterlesen
Seitenlage
„Ihr Vater sitzt schon seit einer halben Stunde fröhlich im Gemeinschaftsraum“, sagte die Mitarbeiterin als ich das letzte Mal im Heim war. Ich starrte sie ungläubig an, lief ins Zimmer und wirklich, da saß er. Als er mich kommen sah, huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Das bildete ich mir nicht ein. Ich setzte mich neben ihn, er drehte den Kopf zu mir und hauchte einen Kuss auf meine Wange zur Begrüßung. Ich war sprachlos, das gab‘s schon lange nicht mehr. Seitenlage weiterlesen
Konfetti-Parade
Eigentlich war der Plan an diesem Samstag, dem 21. März, morgens gleich zur Syltfähre durchzustarten. Eigentlich! Wenn mir da nicht drei Tage vorher über Facebook der Hinweis in die Chronik geflattert wäre, dass in Hamburg eine Konfetti-Parade stattfinden sollte. Organisiert wurde diese von KONFETTI IM KOPF, einer bundesweit angelegten Demenz-Aktion zum Mitdenken, Mitfühlen, Mitmachen. Ziel dieser Parade war es, ein weithin sichtbares Zeichen zu setzen, Konfetti-Parade weiterlesen
Alte Bilder wecken Erinnerungen
Was könnte das Zimmer meines Vaters schmücken und ihn gleichzeitig an Zuhause, die alten Zeiten und die Familie erinnern? Diese Frage stellte ich mir, als er im August 2013 ins Heim kam. Da fiel mir ein, dass er zeit seines Lebens immer ein großer Hobbyfotograf war. Da müsste doch was zu finden sein.
Ich wurde fündig. In seinem Büro-Werkstatt-Keller fand ich die alten Fotoalben und mindestens 5000 Dias. Ich vergrub mich in alten Erinnerungen. Alte Bilder wecken Erinnerungen weiterlesen
Die Sache mit dem Auto
Ja, die Geschichte geht natürlich weiter. Als mein Vater damals von seiner Einkaufstour zurückkam habe ich sofort auch den 3. Schlüssel verlangt. Ich rechnete zwar mit Protest, aber er sagte nur: „Na ja, hier hast du ihn, wenn du meinst.“ Der Tonfall war freundlich und für mich klang es so, als akzeptiere er, schweren Herzens zwar, sein Schicksal. Ich stellte das Auto um die Ecke auf einen sicheren Parkplatz. Mir war klar, dass die Sache damit nicht erledigt war. Die Sache mit dem Auto weiterlesen
Der Autoschlüssel
„Papa, wir haben früher oft darüber gesprochen, wann es Zeit ist, den Autoschlüssel abzugeben und nicht mehr Auto zu fahren.“ „Jaja, meine Schwester hat das viel zu spät gemacht. Ich hab immer wieder mit ihr geschimpft und was da nicht alles passiert ist. Es hätte viel schlimmer kommen können.“ „Ja, Papa, ich erinnere mich noch gut, sie war ja mal plötzlich auf den Gehsteig gefahren.“ „Ja und?“ „Papa, du hast damals zu mir gesagt, wenn ich meine, dass es soweit sei, solle ich dir den Schlüssel abnehmen, auch wenn du das nicht willst.“ Der Autoschlüssel weiterlesen
Faschingsdienstag ohne mich
Es ist Faschingsdienstag, ich liege auf dem Sofa, schniefe vor mich hin und denke daran, dass im Heim nun gefeiert wird. Wird mein Vater mitfeiern? Oder wird er sich gleich nach dem Kaffeetrinken wieder auf sein Zimmer zurückziehen? Wird er überhaupt Kräppel essen? Faschingsdienstag ohne mich weiterlesen